Eduard Hoffmann-Krayer
Eduard Hoffmann-Krayer (* 5. Dezember 1864 in Basel; † 28. November 1936 ebenda) war ein Schweizer Volkskundler und germanistischer Mediävist. Er gilt als «Vater der schweizerischen Volkskunde».[1]
Leben und Werk
BearbeitenEduard Hoffmann, Sohn eines Textilfabrikanten, studierte entgegen der Familientradition Philologie in Basel, wo Otto Behaghel sein Mentor wurde, Freiburg im Breisgau, Leipzig und Berlin. 1890 promovierte er an der Universität Basel in den Fächern Deutsch, Französisch und vergleichende Sprachwissenschaften; Thema seiner Dissertation war das Baseldeutsche. 1891 habilitierte er sich an der Universität Zürich.
Von 1896 bis 1899 war er Redaktor am Schweizerischen Idiotikon in Zürich, wo Friedrich Staub und Ludwig Tobler Sprachwissenschaft und Volkskunde eng verbunden hatten, was seine künftige Forschungsrichtung mitbestimmte.[2]
1900 wurde Hoffmann ausserordentlicher Professor für Phonetik, schweizerische Mundarten und Volkskunde an der Universität Basel.[3] 1909–1936 bekleidete er hier die ordentliche Professur für Germanistische Philologie. 1896 initiierte Hoffmann die Schweizerische Gesellschaft für Volkskunde und redigierte die beiden Zeitschriften Schweizerisches Archiv für Volkskunde (ab 1897) und Schweizer Volkskunde (ab 1911) bis zu seinem Tod. Von 1919 bis 1935 amtete er als Präsident der Basler Hebelstiftung.
Hoffmann-Krayer verfasste wichtige Arbeiten zur historischen Volkskunde; mit dem Aufsatz Die Volkskunde als Wissenschaft (1902) erlangte er auch international Beachtung. Seine volkskundliche Bibliothek bildete den Grundstock des Schweizerischen Archivs für Volkskunde in Basel, und seine Sammlungen dienten dem Ausbau des Schweizerischen Museums für Volkskunde im Basler Völkerkundemuseum, dem heutigen Museum der Kulturen Basel.
Hoffmann war mit Hedwig Krayer (1871–1925), Schwester von Max Krayer, verheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn war der Unternehmer Eduard Hoffmann. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Wolfgottesacker in Basel.
Denken
BearbeitenHoffmann-Krayer war gegen den allgemeinen Begriff der anonymen «Volksseele» und nahm mit dieser antiromantischen Haltung eine damals provozierende Position ein. Seine bekannteste Theorie ist die des vulgus in populo. Laut Hoffmann-Krayer besteht «Volk» aus zwei Anteilen: «populus» (politisch-national) und «vulgus» (sozial-zivilisatorisch). Er betonte, dass sich die Volkskunde nicht auf das gesamte nationale Leben, sondern nur auf dasjenige, was dem vulgus in populo angehöre, konzentrieren solle.
Damit widersprach er Hans Naumanns Theorie vom «gesunkenen Kulturgut» und von der «primitiven Gemeinschaftskultur», einer Zweischichtentheorie, welche davon ausgeht, dass wesentliche Erscheinungsformen kulturellen Lebens stets von der Oberschicht geschaffen und von der Unterschicht lediglich übernommen würden. Im Gegensatz dazu sah Hoffmann-Krayer Gesellschaften differenzierter organisiert als eine blosse Bewegung in der Sozialstruktur von oben nach unten und betonte die Bedeutung des Einflusses von Individuen bei der Verbreitung von Kultur.
Schriften (Auswahl)
Bearbeiten- Der mundartliche Vokalismus von Basel-Stadt in seinen Grundzügen dargestellt. Adolf Geering’s, Basel 1890. [Dissertation.]
- Feste und Bräuche des Schweizervolkes. Schultheß, Zürich 1913.
- Neubearbeitung durch Paul Geiger: Atlantis, Zürich 1940; Reprint: Olms, Heidelberg 1992, ISBN 3-283-00249-5.
- Geschichte des deutschen Stils in Einzelbildern. Quelle & Meyer, Leipzig 1926.
- Kleine Schriften zur Volkskunde. Mit einem Lebensbild hrsg. v. Paul Geiger. Krebs, Basel 1946.
Hoffmann-Krayer wirkte auch am Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens (1927–1941) mit, das sein Schüler Hanns Bächtold-Stäubli herausgab.
Literatur
Bearbeiten- Klaus Beitl; Annemarie und Hans Bögli-Hoffmann; Michael Kasper; Bernhard Tschofen: Sommerfrische und Volkskunde. Die Tagebuchaufzeichnungen des Eduard Hoffmann junior (Sohn des Eduard Hoffmann-Krayer sen.) von einem Landaufenthalt in Gaschurn im Sommer 1909. In: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 2017, S. 66–111. Online.
- Paul Geiger: Eduard Hoffmann-Krayer 1864–1936. In: Basler Jahrbuch 1947, S. 97–105 (Digitalisat).
- Silke Göttsch-Elten, Albrecht Lehmann: Methoden der Volkskunde. Positionen, Quellen, Arbeitsweisen der Europäischen Ethnologie. Reimer, Berlin 2007, ISBN 978-3-496-02796-6.
- Albert Emanuel Hoffmann: Zum Kaufmann bin ich nicht geboren – gewiss nicht. 2 Bände. Limmat, Zürich 1998, ISBN 3-85791-305-3.
- Danièle Lenzin: Eduard Hoffmann(-Krayer). In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Danièle Lenzin: Folklore vivat, crescat, floreat! Über die Anfänge der wissenschaftlichen Volkskunde in der Schweiz um 1900. Zürich 1996, ISBN 3-9521084-2-1.
- Hans Trümpy: Hoffmann-Krayer, Eduard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 9, Duncker & Humblot, Berlin 1972, ISBN 3-428-00190-7, S. 394 f. (Digitalisat).
- Richard Weiss: Volkskunde der Schweiz. Grundriss. Rentsch, Erlenbach-Zürich 1946; 3., unveränderte Auflage Rentsch, Zürich und Schwäbisch Hall 1984, ISBN 3-7249-0567-X, S. 63 f.
Weblinks
Bearbeiten- Nachlass Eduard Hoffmann-Krayer in der Universitätsbibliothek Basel
- Übersicht der Lehrveranstaltungen von Eduard Hoffmann-Krayer an der Universität Zürich (Sommersemester 1892 bis Sommersemester 1900)
- Publikationen von und über Eduard Hoffmann-Krayer im Katalog Helveticat der Schweizerischen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Richard Weiss: Volkskunde der Schweiz. Grundriss. Rentsch, Erlenbach-Zürich 1946; 3., unveränderte Auflage Rentsch, Zürich 1984, hier S. 63.
- ↑ Richard Weiss: Das Schweizerdeutsche Wörterbuch und die Volkskunde. In: Schweizerdeutsches Wörterbuch. Schweizerisches Idiotikon. Bericht über das Jahr 1953. [Zürich 1954], S. 10–23, hier S. 10 f. (Digitalisat). Von Hoffmann-Krayer wurden etwa die Artikel Fasnacht und Wīh(en)nacht verfasst; siehe Richard Weiss: Volkskunde der Schweiz. Grundriss. Rentsch, Erlenbach-Zürich 1946; 3., unveränderte Auflage Rentsch, Zürich 1984, hier S. 63.
- ↑ Tabea Buri über den Sammler Eduard Hoffmann-Krayer. Abgerufen am 18. April 2023.
Personendaten | |
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NAME | Hoffmann-Krayer, Eduard |
KURZBESCHREIBUNG | Schweizer Volkskundler und Mediävist |
GEBURTSDATUM | 5. Dezember 1864 |
GEBURTSORT | Basel |
STERBEDATUM | 28. November 1936 |
STERBEORT | Basel |