Emilie Schleiss-Simandl

österreichische Bildhauerin und Keramikerin

Emilie Milena Schleiss-Simandl, geb. Simandl (* 27. Jänner 1880 in Rothenburg, Mähren; † 2. Mai 1962 in Gmunden), war eine österreichische Bildhauerin und Keramikerin.

Emilie Simandl erhielt ihre Ausbildung zunächst an der Fachschule für Tonindustrie in Znaim bei J. Zafauk und Wilhelm Oppitz.[1] Von 1904 bis 1908 besuchte sie die Wiener Kunstgewerbeschule, wo Franz Metzner, Kolo Moser, Michael Powolny, Friedrich Linke (1854–1914) und Josef Breitner zu ihren Lehrern gehörten. Während des Studiums begann sie, selbst entworfene Modelle in figuraler Plastik und gravierte Gefäße in keramischen Techniken auszuführen.[2]

1909 heiratete Emilie Simandl in Wien den aus Gmunden stammenden Keramiker Franz Schleiss (1884–1968), ebenfalls ein Schüler der Kunstgewerbeschule Wien. Beide arbeiteten künstlerisch eng zusammen. Sie eröffneten die „Künstlerische Werkstätte Franz und Emilie Schleiss“ als Kunstkeramikabteilung in der vom Vater Leopold Schleiss (1853–1910) gegründeten Töpferei in Gmunden-Traunleiten. Nach dessen Tod gründeten sie 1910 die offene Handelsgesellschaft „Gmundner Tonwaren-Fabrik und keramische Werkstätte F. und E. Schleiss“. Beide Eheleute waren als persönlich haftende Gesellschafter mit Vertretungsbefugnis eingetragen.[3]

Ende 1912 folgte die Fusionierung mit der von Michael Powolny und Bertold Löffler gegründeten Werkstätte „Wiener Keramik“ zur „Vereinigten Wiener und Gmundner Keramik und Gmundner Tonwaren-Fabrik Schleiss G.m.b.H.“ mit Sitz in Gmunden. Innerhalb weniger Jahre etablierte sich die Marke Gmundner Keramik und Franz und Emilie Schleiss als die Eigentümer und Werkleiter des Unternehmens nahmen mehr Einfluss auf die Produktgestaltung. Dies führte zu einem vereinfachten und werkstatttypischeren Stil der Produkte, obwohl die Wiener Mitarbeit beim Modellentwurf anhielt. Die Gmundner Keramik stellte Gefäße und Figuren her, sowohl in Form von bunter Keramik mit farbiger Glasur, als auch schwarz-weiße Keramik mit Malerei unter der Glasur sowie Keramik mit Zinnglasur und weich in einander gehenden Farben („Gmundener“).[4]

Emilie Schleiss entwarf Modelle für Gmundner Keramik und lehrte an der 1917 von ihrem Ehemann gegründeten, staatlich geförderten keramischen Schule. Sie war Mitglied der Künstlervereinigung MAERZ[5] und der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs.[6] Ihre Arbeiten wurden wiederholt ausgestellt, so trug sie zu der Kunstschau Wien 1908 drei am Eingangsgebäude aufgestellte große Figuren (Malerei, Architektur und Plastik) und andere Keramikarbeiten bei.

1923 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft („Gmundner keramische Werkstätten AG“) umgewandelt, wobei Franz Schleiss die Majorität des Kapitals und seinen Einfluss auf die Produktion verlor. 1926 wurden er und Emilie Schleiss aus dem Verwaltungsrat entlassen. Das Unternehmen kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten und die Keramikfabrik wechselte ab 1928 häufig die Besitzer. Nach der Loslösung von der Fabrik führte Emilie Schleiss ein eigenes Atelier in der Traunleiten Nr. 78.[7]

Emilie Schleiss starb 1962 im Alter von 82 Jahren in Gmunden. Mit ihrem Ehemann hatte sie drei Töchter, die alle im Unternehmen ihrer Eltern tätig waren. Dazu gehörte die Keramikerin Gertrude Schleiss (1911–1995), welche eine kunstgewerbliche Ausbildung erhielt, ab 1961 die alleinige Geschäftsführung innehatte und bis zur Schließung 1982 im Geschäft in der Theatergasse 2 arbeitete.[8] In zweiter Ehe wurde Franz Schleiss Vater eines Sohnes, Peter Schleiss (1929–1979), der 1955 in die Werkstätte einstieg und nach seinem Tod den Betrieb übernahm.[9]

 
Schutzmantelmadonna, Pfarrkirche Gmunden (1947)
 
Hubertusrelief, Landschloss Ort (1914)

Emilie Schleiss schuf zahlreiche Modelle für die „Gmundner Keramik“ bzw. „Vereinigte Wiener und Gmundner Keramik“, insbesondere Trachtenfiguren (u. a. Goldhauben-Krinoline) und andere Figuren (Madonnen, Bäuerinnen, musizierende Kinder, Tiere). Weiters entwarf sie Dosen, Schalen, Gebrauchsgeschirr, Vasen, Kacheln, Wandbilder und Öfen. Sie gestaltete auch Fassadenreliefs für Häuser in Brüssel, Linz und Gmunden.[10] Hermann Ubell bezeichnete Emilie Schleiss 1932 als ausgezeichnete Bildhauerin, die ein gutes Renommee genieße.[11] Die zeitgenössische Kunsthistorikerin und Journalistin Else Hofmann sprach Schleiss-Keramiken eine gute Qualität in Form und Farbe zu und lobte deren humoristisch-heitere Note.[12] Arbeiten von Emilie Schleiss wurden in die Sammlungen des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie in Wien, des Francisco Carolinum in Linz und des Landesmuseum Brünn aufgenommen.[1]

Baugebundene Werke
  • Hubertusrelief, Keramik (Bogenfüllung mit Hubertus-Legende, kniender St. Hubertus im Vordergrund, im Hintergrund Schloss, Hirsch mit goldenem Kreuz, dazu Eule, Jagdhunde etc.), 1914, Landschloss Ort (ehemals Eingang Jugendheim Hubertus), Gmunden[13]
  • Schutzmantelmadonna, 2,5 m große Keramikfigur über Südausgang der Pfarrkirche Gmunden, 1947[14]
  • Steinrelief Palais Stoclet, Brüssel
  • Giebelrelief Waldegg-Schule, Linz
  • zwei Wandbrunnen für Wintergärten in Gablonz
  • keramische Bauplastiken (Madonna, St. Hubertus, St. Florian) für die Ofenfabrik Rudolf Sommerhuber in Steyr
Porträtplastiken
  • Schubert-Gedenktafel (von Blumen und Bändern umrahmtes Porträtrelief von Franz Schubert), mit Franz Schleiss, 1922, Theatergasse Nr. 9, Gmunden[15]
  • Komponist Dr. Wilhelm Kienzl
  • Primarius Dr. Brunner
  • Landeshauptmann Fritz Oberndorfer[1]
Figuren
  • Malerei, Architektur und Plastik, 1908 bei Kunstschau Wien[16]
  • Meranerin, Keramik, mit Franz Schleiss, 1913 bei Ausstellung Kunstverein Kärnten[17]
  • Madonna und Ein Entenpaar, 1914 bei deutschmährischer Kunstausstellung in Znaim[18]
  • Weibliches Köpfchen, Terrakotta, und Schwarze Madonna, 1914 bei Ausstellung Landesmuseum Linz
  • sitzende Madonna mit Kind, Ton, weiße Zinnglasur, bunt bemalt, um 1924 (Modell um 1918), Höhe 15 cm, Oberösterreichisches Landesmuseum
  • Madonnenbüste, Ton, gebrannt, am Boden Stempelmarke S Fisch G, ES, Stempel-Seriennummer 1022, Schleisskeramik Gmunden, um 1924 (Modell um 1918), Höhe 20 cm, Oberösterreichisches Landesmuseum
  • Mädchen mit Hut, Ton, weiße Zinnglasur, bunt bemalt, um 1924 (Modell um 1918), Höhe 24 cm, Oberösterreichisches Landesmuseum
  • Madonna mit Kind, Höhe 9 cm, Breite 10 cm, um 1925, zugeschrieben, Museum Europäischer Keramikkunst
  • Madonna, Ton, 1931 bei Ausstellung Österreichische Kunst im Wiener Künstlerhaus[19]
  • zwei weibliche Figuren im Linzer Volksgarten[1]
Sonstige Werke
  • Deckeldose (achteckige Dose mit Ovaldekor, Deckel mit Spiralmotiven), Steingut, Bleiglasur, schwarz bemalt, gemaltes Monogramm ES, um 1913, Höhe 12 cm, Durchmesser 10 cm, Oberösterreichisches Landesmuseum
  • Schale mit zwei schmalen seitlichen Handhaben, Höhe 10 cm, Breite 23,5 cm, um 1920, zugeschrieben, Museum Europäischer Keramikkunst[20]
  • Kachel, Ton, weiße Zinnglasur, bunt bemalt, auf der Rückseite bezeichnet „Emilie/Schleiss/Gmunden“, weiblicher Akt mit Mantel, um 1924, Höhe 41 cm, Oberösterreichisches Landesmuseum[21]

Ausstellungen (Auswahl)

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. a b c d Schleiss-Simandl, Emilie, geb. Simandl. In: Hans Vollmer (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Band 30: Scheffel–Siemerding. E. A. Seemann, Leipzig 1936, S. 103 (biblos.pk.edu.pl).
  2. Emilie Schleiss-Simandle. In: galerie-albertina.at. Abgerufen am 6. April 2023.
  3. Eintragung einer Gesellschaftsfirma. In: Gmundner Wochenblatt, 11. Oktober 1910, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gmw
  4. Max EislerDie Gmundener Keramische Werkstätte.Der Architekt, Jahrgang 1916, S. 323 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/arc
  5. Ausübende Mitglieder des Künstlerbundes „März“. In: Nur 10 Jahre „MÄRZ“. Ein Jahrbuch des oberösterreichischen Künstlerbundes „März“., Jahrgang 1931, S. 51 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/okm
  6. Katalog zur XXXVII. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstler Österreichs Secession - I. Ausstellung der Vereinigung Bildender Künstlerinnen Oesterreichs. Wien 1910, S. 14 (online)
  7. Brigitte Heinzl: Die Keramik Gmundens in der kunsthistorischen Abteilung des Oberösterreichischen Landesmuseums. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Museal-Vereins. Band 135. Linz 1990, S. 119.
  8. Renate Perfahl: Wurzeln. Aus der Geschichte des Salzkammergutes. Denkmayr, Linz 2008, S. 44, 151.
  9. Petra Klara Gamke-Breitschopf: Schleiss, Franz. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker (AKL). Band 102, De Gruyter, Berlin 2019, ISBN 978-3-11-023268-4, S. 3.
  10. Schleiss-Simandl, Emilie. In: Ilse Korotin (Hrsg.): biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 3. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2016, S. 2897.
  11. Hermann UbellGraphische Ausstellung des März (Landesmuseum). In: Tages-Post, 9. Dezember 1932, S. 8 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tpt
  12. Dr. Else Hofmann: Österreichisches Kunsthandwerk II: Keramik (mit Abb.). In: Österreichische Kunst, Heft 1/1932, S. 23 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/oku
  13. Das neue Jugendheim im Schlosse Ort. In: Tages-Post, 21. Oktober 1914, S. 4 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tpt
  14. Die Gmundner „Schutzmantel-Madonna“. In: Salzkammergut-Zeitung, 18. Dezember 1947, S. 7 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/skg
  15. Eine Schubert-Gedenktafel in Gmunden. In: Neues Wiener Tagblatt, 17. Juni 1922, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/nwg
  16. Katalog der Kunstschau Wien 1908, S. 11 (online).
  17. Die Ausstellung des Kunstvereines für Kärnten. In: Villacher Zeitung. Kärntisches Blatt für deutsche Politik und soziale Reform, 14. September 1913, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/viz
  18. Ausführlicher Bericht über die Kunstausstellung in Znaim. In: Znaimer Wochenblatt, 4. Juli 1914, S. 3 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/zwb
  19. Wiener Kunstausstellungen. In: Innsbrucker Nachrichten, 9. Dezember 1931, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/ibn
  20. Emilie Schleiß. In: museumek.eu. Abgerufen am 6. April 2023.
  21. Brigitte Heinzl: Die Keramik Gmundens in der kunsthistorischen Abteilung des Oberösterreichischen Landesmuseums. In: Jahrbuch des Oberösterreichischen Museal-Vereins. Band 135. Linz 1990, S. 131.
  22. Österreichisches Kunstgewerbe. In: Arbeiter-Zeitung, 16. November 1910, S. 1 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  23. Emilie Simandl-Schleiß. In: Alois Zauner (Hrsg.): Oberösterreicher: Lebensbilder zur Geschichte Oberösterreichs. Band 6. OÖLA, Linz 1988, S. 70.
  24. Eröffnung der Weihnachtsausstellung im Oberösterreichischen Landesmuseum. In: Arbeiterzeitung, 13. Dezember 1921, S. 5 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/tab
  25. Die schöne Wand. In: Arbeiter-Zeitung, 6. April 1933, S. 10 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/aze
  26. Die Berliner Ausstellung Die Frau. In: Die Österreicherin. Zeitschrift für alle Interessen der Frau / Die Österreicherin. Organ des Bundes österreichischer Frauenvereine, Heft 4/1933, S. 2 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/oin
  27. Kunst und Volk – wieder eine Einheit. In: Oberdonau-Zeitung. Amtliche Tageszeitung der NSDAP. Gau Oberdonau / Oberdonau-Zeitung. Tages-Post. Amtliche Tageszeitung der NSDAP. Gau Oberdonau, 16. August 1939, S. 6 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/obz
  28. Ausstellungen Emilie Schleiss. In: emuseum.ch. Abgerufen am 6. April 2023.