Essigsäureethylester

organische Verbindung, Lösungsmittel, Duftstoff
(Weitergeleitet von Essigäther)

Essigsäureethylester, auch Ethylacetat oder kurz Essigester, ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Carbonsäureester. Es ist der Ester, der aus Essigsäure und Ethanol gebildet wird. Es handelt sich um eine farblose, flüchtige Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch. Die Verbindung ist leicht entzündlich, aber kaum giftig. Essigsäureethylester ist in der Natur weit verbreitet und kommt in vielen Früchten vor. Er entsteht auch bei Fermentationsprozessen, z. B. von alkoholischen Getränken. Technisch wird er als Duft- und Aromastoff eingesetzt. Besonders große Mengen werden als Lösungsmittel in Industrie und Forschung verwendet sowie in verschiedenen Produkten wie Farben, Beschichtungen, Klebstoffen, Kosmetika und Drucktinte. Die Produktionsmenge beträgt mehrere Millionen Tonnen pro Jahr, es handelt sich also um eine industriell wichtige Verbindung.

Strukturformel
Strukturformel von Essigsäureethylester
Allgemeines
Name Essigsäureethylester
Andere Namen
Summenformel C4H8O2
Kurzbeschreibung

farblose Flüssigkeit mit fruchtigem Geruch[2]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 141-78-6
EG-Nummer 205-500-4
ECHA-InfoCard 100.005.001
PubChem 8857
ChemSpider 8525
Wikidata Q407153
Eigenschaften
Molare Masse 88,11 g·mol−1
Aggregatzustand

flüssig[2]

Dichte

0,894 g·cm−3 (25 °C)[3]

Schmelzpunkt

−83 °C[2]

Siedepunkt

77 °C[2]

Dampfdruck
  • 98,4 hPa (20 °C)[2]
  • 160 hPa (30 °C)[2]
  • 251 hPa (40 °C)[2]
  • 380 hPa (50 °C)[2]
pKS-Wert

29,5 (DMSO)[4]

Löslichkeit

mäßig in Wasser (85,3 g·l−1 bei 20 °C)[2]

Brechungsindex

1,372[5]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[6] ggf. erweitert[2]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 225​‐​319​‐​336
EUH: 066
P: 210​‐​233​‐​240​‐​305+351+338​‐​403+235[2]
MAK
  • DFG: 200 ml·m−3 bzw. 750 mg·m−3[2]
  • Schweiz: 200 ml·m−3 bzw. 730 mg·m−3[7]
Toxikologische Daten

5620 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[8]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Geschichte

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Zum ersten Mal hergestellt wurde Essigsäureethylester wohl von Louis-Léon de Brancas und wurde als Ether bezeichnet. Diese Bezeichnung wurde damals ganz allgemein für unpolare, entzündliche Flüssigkeiten verwendet, wogegen der Begriff Ether heute eine bestimmte Gruppe organischer Verbindungen bezeichnet, zu der Essigsäureethylester nicht gehört. Im Jahr 1781 entdeckte Carl Wilhelm Scheele beim Versuch, diese Synthese zu reproduzieren, die durch Salzsäure oder Schwefelsäure katalysierte Veresterung von Alkoholen und Carbonsäuren, wobei er zuerst Essigsäure und Ethanol zu Essigsäureethylester umsetzte.[9]

Vorkommen

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Essigsäureethylester ist eine wichtige flüchtige Aromaverbindung in Zuckermelone und Berg-Papaya

Natürlich kommt Essigsäureethylester im Aroma vieler Früchte vor. Flüchtige Aromakomponenten machen nur einen geringen Anteil am Gesamtgewicht der Früchte beziehungsweise Pflanzen aus; in dieser Stoffgruppe ist Essigsäureethylester aber zum Teil eine der mengenmäßig wichtigsten Verbindungen. Die Mengenverhältnisse der flüchtigen Verbindungen in verschiedenen Früchten sind sehr unterschiedlich und hängen auch von der jeweiligen Sorte (also konkreten Genen der Pflanze), dem Reifegrad, der Umgebung der Pflanze und bei geernteten Früchten auch von Transport- und Lagerbedingungen ab.[10]

In einer Studie wurde die Ausdünstung flüchtiger Ester aus bestimmten Kultivaren von Bananen, Melonen und Erdbeeren gemessen. Bei den Melonen war hierbei Essigsäureethylester mit 84,7 % mit Abstand der wichtigste Ester. Auch bei Bananen war er mit 47,4 % die wichtigste Verbindung, gefolgt von Essigsäurebutylester mit 20,6 %. In Erdbeeren war Essigsäureethylester hingegen mit 1,3 % eine eher unbedeutende Aromakomponente, die wichtigste war hier Essigsäuremethylester.[11] Bei Melonen hängt die Aromazusammensetzung vom Kultivar ab. Klimakterische Melonen enthalten viele Acetatester (inklusive Essigsäureethylester), während nichtklimakterische Früchte mehr Alkohole und Aldehyde enthalten. Die Biosynthese der Acetatester in den Melonen findet gegen Ende des Reifeprozesses statt, wobei Alkohole mittels Alkoholacetyltransferasen zu Essigsäureethylester und andere Ethylester verestert werden.[12] In einer Studie an verschiedenen Teilen von Himbeerpflanzen wurden die Mengen enthaltener flüchtiger Verbindungen bestimmt. Während Essigsäureethylester in den meisten Pflanzenteilen nur in geringen Mengen vorkam, war er mit 11,8 % die mengenmäßig wichtigste flüchtige Verbindung in den reifen Beeren. In den schon roten aber noch nicht ganz reifen Beeren war der Gehalt mit gut 18 % sogar noch höher.[13] In Berg-Papaya wurden in einer Studie Essigsäureethylester und Essigsäurebutylester als die beiden wichtigsten flüchtigen Aromakomponenten bestimmt, die in ähnlichen Mengen gefunden wurden.[14] In einer Studie zu den Aromaverbindungen verschiedener Pflanzen wurden unter anderem die Ausdünstungen flüchtiger Verbindungen von Pfirsichen verglichen, die sich entweder noch am Baum befanden oder schon geerntet wurden. Während bei den geernteten Früchten keine Ausdünstung von Essigsäureethylester nachgewiesen werden konnte, machte Verbindung bei den Früchten am Baum etwa 6 % der flüchtigen Verbindungen aus.[15] In einer Studie an Äpfeln wurde festgestellt, dass die Aromazusammensetzung stark von Sorte und Erntejahr abhängt. Bei der Sorte Golden Delicious war Essigsäureethylester in einem Jahr die wichtigste flüchtige Verbindung, während in einem anderen Jahr sowohl Propionsäureethylester als auch Essigsäurebutylester in größeren Mengen vorkamen. Bei der der Sorte Granny Smith wurde in einem Jahr kaum Essigsäureethylester detektiert, während in einem anderen Jahr nennenswerte Mengen gemessen wurden, die jedoch geringer waren als die von Essigsäurepropylester und Propionsäureethylester.[16] Die Guave ist eine weitere Frucht, in der Essigsäureethylester zwar in nennenswerten Mengen vorkommt, in der er aber gegenüber anderen Verbindungen wie (Z)-3-Hexenylacetat, sowie (E)-2-Hexenal und (E)-3-Hexenal eine untergeordnete Rolle spielt.[17] Unter den flüchtigen Verbindungen aus Quittenschale machte Essigsäureethylester über 22 % aus und war damit die mengenmäßig zweitwichtigste Verbindung nach Propionsäureethylester.[18] Essigsäureethylester kommt außerdem auch in vielen Fruchtsäften als Aromakomponente vor, besonders hoch ist der Anteil in Saft aus Granatapfel.[19][20]

Essigsäureethylester entsteht in verschiedenen Lebensmitteln bei Fermentationsprozessen, beispielsweise in Bier und Sauerteig.[21][22] Er wird neben anderen Ethylestern bei der alkoholischen Gärung von Wein enzymatisch durch Hefen wie Saccharomyces cerevisiae produziert und spielt eine wichtige Rolle für dessen Aroma. Essigsäureethylester ist dabei oft einer der mengenmäßig wichtigsten Ester, zum Teil auch der wichtigste. Er kommt aber in deutlich geringeren Mengen vor als Alkohole (insbesondere Ethanol oder Pentanole).[23][24] In sehr geringer Konzentration (unter 80 mg/L) verbessert Essigsäureethylester die Geschmacksqualität des Weins, während eine hohe Konzentration Geschmacksfehler verursachen kann.[23] Essigsäureethylester wurde außerdem bei Verwesungsprozessen unter den entstehenden flüchtigen Verbindungen nachgewiesen.[25]

Herstellung

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Für die Herstellung von Essigsäureethylester sind diverse Reaktionen bekannt. Für die Industrie sind insbesondere zwei Verfahren relevant:[26] Die durch Schwefelsäure katalysierte Veresterung von Essigsäure und Ethanol (Fisher-Prozess)[27][28] und die Tischtschenko-Reaktion.[29] Ein neueres Verfahren von untergeordneter Bedeutung ist die direkte Addition von Essigsäure an Ethylen.[30]

Säurekatalysierte Veresterung

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Eines der großtechnischen Herstellungsverfahren der chemischen Industrie beruht auf der säurekatalysierten Veresterung von Essigsäure mit Ethanol. Im Allgemeinen kommt Schwefelsäure als Katalysator zum Einsatz. Die Prozesstemperatur beträgt 200–250 °C.[27] Der Reaktionsumsatz kann durch Abtrennung des Nebenprodukts Wasser gesteigert werden.[30]

 
Herstellung von Ethylacetat aus Ethanol und Essigsäure

Im Labor gelingt die Herstellung auch durch Katalyse mit Heteropolysäuren wie Molybdatophosphorsäure, sowohl festphasengebunden auf Silica, als auch ungebunden.[31]

Tischtschenko-Reaktion

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Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung von Essigsäureethylester bietet die Tischtschenko-Reaktion. Danach wird Acetaldehyd bei Temperaturen von 0–5 °C in Gegenwart von Aluminiumtriethanolat-Lösung in einer Rührkesselkaskade umgesetzt.[32][29]

 
Tischtschenko-Reaktion von Acetaldehyd zu Ethylacetat in Gegenwart von Aluminiumethanolat als Katalysator

Bei 95%igem Umsatz erreicht die Selektivität von Essigsäureethylester etwa 96 % (bezogen auf Acetaldehyd). Das wesentliche Nebenprodukt ist Acetaldol, welches durch Aldoladdition von Acetaldehyd entsteht. Das Produktgemisch wird in einer kontinuierlichen Destillationskolonne aufgetrennt und der Essigsäureethylester abdestilliert.[32][29] Dieses Verfahren wird besonders in Regionen mit preisgünstiger Verfügbarkeit von Acetaldehyd (vor allem Europa und Japan) und in Ländern mit wirtschaftlich unattraktiven Ethanolpreisen verwendet.[29] In anderen Fällen ist Acetaldehyd teurer als alternative Ausgangsprodukte, sodass dieses Verfahren unwirtschaftlich ist. Ein grundsätzlicher Nachteil ist die vergleichsweise hohe Toxizität des Acetaldehyds.[30]

Addition von Essigsäure an Ethylen

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Essigsäureethylester kann durch direkte Addition von Essigsäure an Ethylen gewonnen werden, wobei ein heterogener Katalysator auf der Basis von Silicowolframsäure (einer Heteropoylsäure) verwendet wird. Es handelt sich um einen kontinuierlichen Prozess in der Gasphase bei 170–200 °C und 8 bis 14 bar Druck. Ethylen wird gegenüber Essigsäure im deutlichen Überschuss von mindestens 10:1 eingesetzt. Durch Vorhandensein einiger Prozent Wasser im Reaktionsgemisch können durch Nebenreaktionen Ethanol und Diethylether entstehen. Das Verfahren wurde in den 1990er-Jahren entwickelt, aber erst nach der Jahrtausendwende kommerziell eingesetzt. Produktionsstätten existieren in Großbritannien und Japan; die Produktionskapazität beträgt mehrere hunderttausend Tonnen pro Jahr.[30] Vorteile des Verfahrens gegenüber den anderen industriellen Herstellungsmethoden sind einerseits die heterogene Katalyse, durch die die Trennung von Reaktionsprodukten und Katalysator einfacher ist, und andererseits die gute Atomökonomie, da bei der Reaktion im Optimalfall keinerlei Nebenprodukte entstehen.[33]

Direkte Herstellung aus Ethanol

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Über einem geeigneten Oxid-Katalysator aus Kupfer, Zink, Zirconium und Aluminium bei hohen Drücken kann Essigsäureethylester direkt aus Ethanol gewonnen werden. Die Prozesstemperatur beträgt etwa 200 bis 260 °C, der beste Reaktionsumsatz wird bei 8 bar erzielt, mit einer Selektivität von 93 %. Bei der Reaktion wird Ethanol zunächst zu Acetaldehyd dehydriert, also ein Molekül Wasserstoff abgespalten. Ein Molekül Acetaldehyd bildet dann mit einem weiteren Molekül Ethanol ein Halbacetal, das erneut dehydratisiert wird, wodurch das Produkt Essigsäureethylester entsteht. Als Nebenreaktion findet die Aldoladdition von Acetaldehyd zu Acetaldol statt. Durch Dehydratisierung (Abspaltung eines Wassermoleküls) und verschiedene Additions- und Eliminierungsreaktionen von elementarem Wasserstoff entstehen letztendlich vor allem die Nebenprodukte 1-Butanol und Butanon entstehen.[34]

Eine mildere Reaktion ist die Umsetzung von Ethanol mit einem Ruthenium-Katalysator und geringen Mengen Natriumethanolat. Auch bei dieser Methode verläuft die Reaktion vermutlich über Acetaldehyd und ein Halbacetal.[28]

Biotechnologische Gewinnung

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Für die enzymatische Herstellung von Essigsäureethylester sind zwei Wege bekannt, einerseits durch Veresterung von Ethanol und Essigsäure mittels einer Lipase (z. B. von Candida antarctica),[27][35] andererseits durch Veresterung von Ethanol mit Acetyl-CoA mittels einer Alkoholacetyltransferase durch Hefen.[35] Geeignete Organismen für letztere Methode sind z. B. Kluyveromyces marxianus[36] oder Candida utilis.[37] In verschiedenen Experimenten wurden mögliche Reaktionsbedingungen getestet, um solche zu finden, die zu einer hohen Produktion von Essigsäureethylester führen. Eine geringe verfügbare Menge an Eisen- und Kupfer-Ionen hemmt wichtige Enzyme des Citrat-Zyklus, wodurch mehr Acetyl-CoA für die Biosynthese von Essigsäureethylester vorhanden ist. Eine geringe Sauerstoffzufuhr oder Zusatz von Cyanid führen jedoch beispielsweise zu einer erhöhten Produktion von Ethanol auf Kosten der Produktion von Essigsäureethylester.[38] Durch heterologe Expression einer Alkoholacetyltransferase kann auch durch Escherichia coli Essigsäureethylester produziert werden.[39]

Eigenschaften

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Physikalische Eigenschaften

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Dampfdruckfunktion von Essigsäureethylester

Essigsäureethylester liegt unter Normalbedingungen als farblose, niedrigviskose und entzündbare Flüssigkeit vor. Der Schmelzpunkt liegt bei −83 °C,[2] wobei eine Schmelzenthalpie von 10,48 kJ·mol−1 realisiert wird.[40] Bei Normaldruck siedet die Verbindung bei 77 °C.[2] Die Verdampfungsenthalpie beträgt am Siedepunkt 31,94 kJ·mol−1.[41] Die Dampfdruckfunktion ergibt sich nach Antoine entsprechend

 

dabei ist P der Dampfdruck in Bar, T die absolute Temperatur in Kelvin und die Parameter sind A = 4,22809, B = 1245,702 und C = −55.189. Die Funktion gilt im Temperaturbereich von 289 K (16 °C) bis 349 K (76 °C).[42]

Zusammenstellung der wichtigsten thermodynamischen Eigenschaften
Eigenschaft Typ Wert Bemerkungen
Standardbildungsenthalpie ΔfH0liquid
ΔfH0gas
−480,57 kJ·mol−1[43]
−445,43 kJ·mol−1[43]
als Flüssigkeit
als Gas
Standardentropie S0liquid
S0gas
259,4 J·mol−1·K−1[44]
362,75 J·mol−1·K−1[45]
als Flüssigkeit
als Gas
Verbrennungsenthalpie ΔcH0liquid −2235,4 kJ·mol−1[46]
Wärmekapazität cp 168,94 J·mol−1·K−1 (25 °C)[3]
1,92 J·g−1·K−1 (25 °C)[3]
113,64 J·mol−1·K−1 (25 °C)[45]
1,29 J·g−1·K−1 (25 °C)[45]
als Flüssigkeit

als Gas
Kritische Temperatur Tc 523,2 K[41]
Kritischer Druck pc 38,82 bar[47]
Kritische Dichte ρc 3,497 mol·l−1[48]
Azentrischer Faktor ωc 0,36641[49]

Azeotrope

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In 100 ml Wasser lösen sich ca. 8 ml Essigsäureethylester bei 20 °C. Die Verbindung bildet mit Wasser und vielen organischen Lösungsmitteln azeotrope Gemische, bei denen beide Bestandteile des Gemisches in einer bestimmten Zusammensetzung einen gemeinsamen Siedepunkt aufweisen, sodass sie nicht durch Destillation getrennt werden können. Das Azeotrop mit Wasser enthält bei Normaldruck 8,43 % Wasser und siedet bei 70,38 °C.[50] Die Azeotropzusammensetzung und der Azeotropsiedepunkt sind druckabhängig. Mit sinkendem Druck sinkt der Wassergehalt im azeotropen Gemisch sowie dessen Siedepunkt.[50] Die azeotropen Zusammensetzungen und Siedepunkte mit weiteren organischen Lösungsmitteln finden sich in der folgenden Tabelle. Keine Azeotrope werden mit Toluol, Benzol, n-Propanol, n-Butanol, iso-Butanol, sec-Butanol, Aceton, 1,4-Dioxan, Methylacetat und Isopropylacetat gebildet.[51]

Azeotrope mit verschiedenen Lösungsmitteln[51]
Lösungsmittel n-Hexan Cyclohexan Methanol Ethanol 2-Propanol
Gehalt Essigsäureethylester in Ma% 38 54 56 69 75
Siedepunkt in °C 65 72 62 72 76
Lösungsmittel Chloroform Tetrachlorkohlenstoff Butanon Schwefelkohlenstoff Acetonitril
Gehalt Essigsäureethylester in Ma% 72 43 82 3 77
Siedepunkt in °C 78 75 77 46 75

Sicherheitstechnische Kenngrößen

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Essigsäureethylester bildet leicht entzündliche Dampf-Luft-Gemische. Die Verbindung hat einen Flammpunkt bei −4 °C. Der Explosionsbereich liegt zwischen 2 Vol.‑% (73 g/m3) als untere Explosionsgrenze (UEG) und 12,8 Vol.‑% (470 g/m3) als obere Explosionsgrenze (OEG).[52] Eine Korrelation der Explosionsgrenzen mit der Dampfdruckfunktion ergibt einen unteren Explosionspunkt von −6 °C[2] sowie einen oberen Explosionspunkt von 25 °C. Die Explosionsgrenzen sind druckabhängig. Eine Erniedrigung des Druckes führt zu einer Verkleinerung des Explosionsbereiches. Die untere Explosionsgrenze ändert sich oberhalb von 100 mbar nur wenig und steigt erst bei Drücken kleiner als 100 mbar an. Die obere Explosionsgrenze verringert sich mit sinkendem Druck entsprechend.[53]

Die Sauerstoffgrenzkonzentration liegt bei 20 °C bei 9,8 Vol.‑%,[52] bei 100 °C bei 9,4 Vol%.[54] Der maximale Explosionsdruck beträgt 9,5 bar.[52] Der maximale Explosionsdruck verringert sich mit sinkenden Ausgangsdruck.[53]

Die Grenzspaltweite wurde mit 0,95 mm (50 °C) bestimmt.[52] Es resultiert damit eine Zuordnung in die Explosionsgruppe IIA.[52] Mit einer Mindestzündenergie von 0,46 mJ sind Dampf-Luft-Gemische extrem zündfähig.[55] Die Zündtemperatur beträgt 470 °C.[52] Der Stoff fällt somit in die Temperaturklasse T1. Die Zündtemperatur sinkt mit steigendem Druck wesentlich ab.[56] Die elektrische Leitfähigkeit liegt mit   < 1·10−7 S·m−1 im mittleren Bereich für flüssige Stoffe.[55]

Entsprechend den Gefahrgutvorschriften ist Essigsäureethylester der Klasse 3 (Entzündbare flüssige Stoffe) mit der Verpackungsgruppe II (mittlere Gefährlichkeit) zugeordnet (Gefahrzettel: 3).[2]

Metabolismus und Toxikologie

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Essigsäureethylester kann über Atmung und Haut aufgenommen werden.[57] Im menschlichen Körper wird er schnell durch Esterasen in Essigsäure und Ethanol abgebaut.[57][58] Die akute Toxizität ist gering, an Ratten wurde ein oraler LD50-Wert von über 5 g pro kg Körpergewicht ermittelt,[8] die Verbindung kann jedoch Augen, Schleimhäute und Atemwege reizen.[58][59] In hohen Konzentrationen kann sie zu Schläfrigkeit und Benommenheit über Ohnmacht bis hin zu Tod durch Erstickung führen.[57][58] Bei längerer Exposition gegenüber einer Atmosphäre mit 400 ppm Essigsäureethylester wurde allerdings nur eine starke Geruchsbelästigung festgestellt und keine neurologischen oder motorischen Einschränkungen.[59] Chronische Exposition kann zu Organschäden an Lunge, Herz, Leber und Nieren führen.[58]

Verwendung

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Essigsäureethylester wird industriell im großen Maßstab gewonnen.[60] So betrug die weltweit verwendete Menge schätzungsweise 1 Mio. Tonnen im Jahr 1998[59] sowie 2,5 Mio. Tonnen im Jahr 2008[28] und 4,8 Mio. Tonnen im Jahr 2022.[61] Es handelt sich um eines der wichtigsten Lösungsmittel für Farb- und Klebstoffzubereitungen sowie in der Druckindustrie.[62][63] Essigsäureethylester ist außerdem ein wichtiges Lösungsmittel in Industrieprozessen, zum Beispiel zum Aufbringen von Überzugsmitteln auf Tabletten[64] oder für die Entkoffeinierung von Kaffee.[65] Essigsäureethylester wird außerdem oft als Lösungsmittel für Extraktionen und chromatografische Analysen verwendet. In der organischen Synthese eignet er sich als Reaktionsmedium für einige Reaktionen, wie Oxidationen, katalytische Hydrierungen und Ozonolysen.[66] Gemäß Marktanalysen für die Jahre 2019 und 2022 entfiel in diesen Jahren jeweils über 50 % der Produktionsmenge auf den Bereich Farben und Beschichtungen. Die beiden anderen mengenmäßig relevanten Bereiche waren jeweils die Verwendung in Druckertinte und als Prozesslösungsmittel.[61][67]

Essigsäureethylester findet vielfältige Anwendung in der Kosmetik, so wird er in der Größenordnung 100 bis 1000 Tonnen als Duftstoff für Kosmetika eingesetzt.[68] In Nagelpolituren dient er oft als Lösungsmittel für Nitrocellulose.[69] Zudem findet er Verwendung in Nagellackentfernern und hat dort Aceton als Lösemittel weitestgehend ersetzt.[57][70][71] Kosmetische Zubereitungen mit mindestens 5 % Essigsäureethylester wirken antimikrobiell, sodass bei diesen eine separate Kontrolle auf Mikroorganismen in der Regel nicht nötig ist.[69] Essigsäureethylester wird als natürlicher Aromastoff für Frucht- und Brandynoten verwendet.[72] In der EU ist Essigsäureethylester unter der FL-Nummer 09.001 als Aromastoff für Lebensmittel allgemein zugelassen.[73] Die Verwendung im Bereich Lebensmittel spielt jedoch laut einer Marktanalyse für das Jahr 2019 eine mengenmäßig untergeordnete Rolle.[67]

In der Entomologie werden Insekten oft mit Essigsäureethylester getötet, um sie anschließend zu präparieren. Die Verbindung zerstört allerdings die DNA der Insekten, sodass sie ungeeignet ist, wenn anschließend eine DNA-Sequenzierung vorgenommen werden soll.[74][75] Als Elektrolyt in Lithium-Ionen-Batterien wird üblicherweise Ethylencarbonat verwendet; die Verwendung von Essigsäureethylester, insbesondere bei tiefen Temperaturen, wird aber erforscht.[76][77]

Nachweis

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Ein Nachweis, auch quantitativ, ist mittels NMR möglich.[71]

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Commons: Essigsäureethylester – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu ETHYL ACETATE in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  2. a b c d e f g h i j k l m n o p Eintrag zu Ethylacetat in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 21. Februar 2018. (JavaScript erforderlich)
  3. a b c M. Pintos, R. Bravo, M. C. Baluja, M. I. Paz Andrade, G. Roux-Desgranges, J.-P. E. Grolier: Thermodynamics of alkanoate + alkane binary mixtures. Concentration dependence of excess heat capacities and volumes. In: Canadian Journal of Chemistry. 66, 1988, S. 1179–1186, doi:10.1139/v88-193.
  4. Xian Man Zhang, Frederick G. Bordwell, Michael Van Der Puy, Herbert E. Fried: Equilibrium acidities and homolytic bond dissociation energies of the acidic carbon-hydrogen bonds in N-substituted trimethylammonium and pyridinium cations. In: Journal of Organic Chemistry. Band 58, Nr. 11, 1993, S. 3060–3066, doi:10.1021/jo00063a026.
  5. CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification. 3. Auflage. 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  6. Eintrag zu Ethyl acetate im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  7. Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 141-78-6 bzw. Ethylacetat), abgerufen am 14. September 2019.
  8. a b Eintrag zu Ethylacetat. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 29. September 2014.
  9. Anders Lennartson: Bergman and Scheele: Childhoods. In: Carl Wilhelm Scheele and Torbern Bergman. Springer International Publishing, Cham 2020, ISBN 978-3-03049193-2, S. 11–24.
  10. Muna El Hadi, Feng-Jie Zhang, Fei-Fei Wu, Chun-Hua Zhou, Jun Tao: Advances in Fruit Aroma Volatile Research. In: Molecules. Band 18, Nr. 7, 11. Juli 2013, S. 8200–8229, doi:10.3390/molecules18078200, PMID 23852166, PMC 6270112 (freier Volltext).
  11. Yoshinori Ueda, Atsushi Tsuda, Jin-He Bai, Noriyuki Fujishita, Kazuo Chachin: Characteristic Pattern of Aroma Ester Formation from Banana, Melon, and Strawberry with Reference to the Substrate Specificity of Ester Synthetase and Alcohol Contents in Pulp. In: NIPPON SHOKUHIN KOGYO GAKKAISHI. Band 39, Nr. 2, 1992, S. 183–187, doi:10.3136/nskkk1962.39.183.
  12. Moshe Shalit, Nurit Katzir, Yaakov Tadmor, Olga Larkov, Yosef Burger, Fernond Shalekhet, Elena Lastochkin, Uzi Ravid, Orit Amar, Menahem Edelstein, Zvi Karchi, Efraim Lewinsohn: Acetyl-CoA: Alcohol Acetyltransferase Activity and Aroma Formation in Ripening Melon Fruits. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 49, Nr. 2, 1. Februar 2001, S. 794–799, doi:10.1021/jf001075p.
  13. G Robertson: Changes in the chemical composition of volatiles released by the flowers and fruits of the red raspberry (Rubus idaeus) cultivar glen prosen. In: Phytochemistry. Band 38, Nr. 5, März 1995, S. 1175–1179, doi:10.1016/0031-9422(94)00782-O.
  14. Alicia L. Morales, Carmenza Duque: Aroma constituents of the fruit of the mountain papaya (Carica pubescens) from Colombia. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 35, Nr. 4, Juli 1987, S. 538–540, doi:10.1021/jf00076a024.
  15. B. D. Mookherjee, R. W. Trenkle, R. A. Wilson: The chemistry of flowers, fruits and spices: live vs. dead - a new dimension in fragrance research. In: Pure and Applied Chemistry. Band 62, Nr. 7, 1. Januar 1990, S. 1357–1364, doi:10.1351/pac199062071357.
  16. M?L Lopez, M?T Lavilla, I Recasens, J Graell, M Vendrell: Changes in aroma quality of ?Golden Delicious? apples after storage at different oxygen and carbon dioxide concentrations. In: Journal of the Science of Food and Agriculture. Band 80, Nr. 3, Februar 2000, S. 311–324, doi:10.1002/1097-0010(200002)80:3<311::AID-JSFA519>3.0.CO;2-F.
  17. Charng Cherng. Chyau, Shu Yueh. Chen, Chung May. Wu: Differences of volatile and nonvolatile constituents between mature and ripe guava (Psidium guajava Linn.) fruits. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 40, Nr. 5, Mai 1992, S. 846–849, doi:10.1021/jf00017a028.
  18. Katsumi Umano, Akihiro Shoji, Yukio Hagi, Takayuki Shibamoto: Volatile constituents of peel of quince fruit, Cydonia oblonga Miller. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 34, Nr. 4, Juli 1986, S. 593–596, doi:10.1021/jf00070a003.
  19. Laura Vázquez-Araújo, Edgar Chambers IV, Koushik Adhikari, Ángel A. Carbonell-Barrachina: Sensory and Physicochemical Characterization of Juices Made with Pomegranate and Blueberries, Blackberries, or Raspberries. In: Journal of Food Science. Band 75, Nr. 7, September 2010, S. S398–S404, doi:10.1111/j.1750-3841.2010.01779.x.
  20. Montserrat Riu-Aumatell, Elvira López-Tamames, Susana Buxaderas: Assessment of the Volatile Composition of Juices of Apricot, Peach, and Pear According to Two Pectolytic Treatments. In: Journal of Agricultural and Food Chemistry. Band 53, Nr. 20, 1. Oktober 2005, S. 7837–7843, doi:10.1021/jf051397z.
  21. Michiko Kobayashi, Hiroshi Shimizu, Suteaki Shioya: Beer Volatile Compounds and Their Application to Low-Malt Beer Fermentation. In: Journal of Bioscience and Bioengineering. Band 106, Nr. 4, Oktober 2008, S. 317–323, doi:10.1263/jbb.106.317.
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