Glutethimid ist ein Arzneistoff, der als Sedativum und Hypnotikum verwendet wurde. Es wurde 1954 von Ciba patentiert und war in Deutschland unter dem Handelsnamen Doriden® auf dem Markt.

Strukturformel
Struktur von Glutethimid
Vereinfachte Strukturformel ohne Stereochemie
Allgemeines
Freiname Glutethimid
Andere Namen
  • 3-Ethyl-3-phenyl-2,6-piperidindion
  • (RS)-3-Ethyl-3-phenylpiperidin-2,6-dion (IUPAC)
  • (±)-3-Ethyl-3-phenylpiperidin-2,6-dion
  • rac-3-Ethyl-3-phenylpiperidin-2,6-dion
Summenformel C13H15NO2
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 77-21-4
EG-Nummer 201-012-0
ECHA-InfoCard 100.000.921
PubChem 3487
ChemSpider 3367
DrugBank DB01437
Wikidata Q414236
Arzneistoffangaben
ATC-Code

N05CE01

Wirkstoffklasse

Sedativum, Hypnotikum

Eigenschaften
Molare Masse 217,26 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

84 °C[1]

pKS-Wert

9,2[1]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser (999 mg·L−1 bei 30 °C);[1] leicht löslich in Ethylacetat, Aceton und Diethylether; löslich in Methanol[2]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[3]

Achtung

H- und P-Sätze H: 302
P: keine P-Sätze[3]
Toxikologische Daten

600 mg·kg−1 (LD50Ratteoral)[1]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Chemisch gesehen gehört es – wie auch Methyprylon, Pyrithyldion und Thalidomid – zur Gruppe der Piperidindione. Diese wiederum sind strukturelle Abwandlungen der Barbiturate.

Wirkmechanismus

Bearbeiten

Die Wirkungsdauer von Glutethimid entspricht der von mittellang wirksamen Barbituraten. Seine Eliminationshalbwertszeit beträgt 5–22 h. Es hat gegenüber Barbituraten keine Vorteile.

Unerwünschte Wirkungen

Bearbeiten

Eine Intoxikation mit Glutethimid äußert sich ähnlich wie eine Intoxikation mit Barbituraten. Eine längerfristige Anwendung kann zur Abhängigkeit führen.

Synthese

Bearbeiten

Glutethimid kann ausgehend aus Benzylcyanid synthetisiert werden. Dieses wird mit Natriumamid deprotoniert und mit Ethylbromid alkyliert. Das so erhaltene 2-Phenylbutansäurenitril wird dann einer Michael-Addition an Acrylsäurenitril unterworfen, das erhaltene 2-Ethyl-2-phenyl-1,5-pentandisäuredinitril wird sodann in Eisessig unter Schwefelsäurewirkung zu Glutethimid zyklokondensiert.[4] Das Zwischenprodukt 2-Phenylbutansäurenitril kann auch mit Methylacrylat umgesetzt werden. Der resultierende 4-Cyano-4-ethyl-4-phenylpentansäuremethylester kann dann analog mittels Eisessig und Schwefelsäure zur Zielverbindung zyklisiert werden. Während der gesamten Synthesesequenz wird mit racemischen Edukten und Zwischenverbindungen gearbeitet. Glutethimid fällt somit bei den Synthesevarianten als Racemat an.[5]

 

Rechtsstatus

Bearbeiten

Glutethimid ist in der Anlage II des deutschen Betäubungsmittelgesetzes gelistet und zählt somit zu den verkehrsfähigen, aber nicht verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln.

Literatur

Bearbeiten
  • H. P. T. Ammon (Hrsg.): Hunnius Pharmazeutisches Wörterbuch. 9. Auflage. Walter de Gruyter, Berlin / New York 2004, ISBN 3-11-017487-1, S. 662.
  • Eintrag zu Glutethimid. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 2. Januar 2015.
  • H. J. Roth, H. Fenner: Arzneistoffe. Thieme, Stuttgart / New York 1988, ISBN 3-13-673501-3, S. 270–271.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d Eintrag zu Glutethimide in der ChemIDplus-Datenbank der United States National Library of Medicine (NLM) (Seite nicht mehr abrufbar)
  2. The Merck Index: An Encyclopedia of Chemicals, Drugs, and Biologicals. 14. Auflage. Merck & Co., Whitehouse Station, NJ, USA, 2006, ISBN 0-911910-00-X.
  3. a b Datenblatt Glutethimide bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 3. April 2011 (PDF).
  4. F. Hampl, J. Paleček: Farmakochemie. VŠCHT, Praha 2002, ISBN 80-7080-495-5, S. 116. (tschechisch).
  5. A. Kleemann, J. Engel, B. Kutscher, D. Reichert: Pharmaceutical Substances – Synthesis, Patents, Applications. 4. Auflage. Thieme-Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 1-58890-031-2.