Induktive Dimension

topologisch invariante Definition der Dimension eines Raumes

Bei der kleinen und großen induktiven Dimension handelt es sich um zwei im mathematischen Teilgebiet der Topologie betrachtete Dimensionsbegriffe. Diese Begriffe verwenden keinerlei algebraische Konstruktionen zur Festlegung einer Dimension, wie es etwa aus der Theorie der Vektorräume bekannt ist, sondern lediglich den betrachteten topologischen Raum selbst. Es handelt sich um eine Alternative zur Lebesgue’schen Überdeckungsdimension, die mit bezeichnet und hier zu Vergleichszwecken herangezogen wird.

Motivation

Bearbeiten

Der Idee der induktiven Dimension liegt die Beobachtung zugrunde, dass der Rand einer  -dimensionalen Kugel  ‑dimensional ist, wobei  -dimensional hier im Sinne der Differentialgeometrie (siehe Mannigfaltigkeit) oder einfach rein anschaulich zu verstehen ist. Dies legt den Gedanken nahe, den Begriff Dimension   einer Menge auf den Begriff Dimension   des Randes dieser Menge zurückzuführen und so eine induktive Definition anzustreben.

Da ein einpunktiger Raum, der sicher die Dimension 0 erhalten soll, einen leeren Rand hat, muss man die Dimension der leeren Menge als −1 festlegen. Eine Umsetzung der Idee der induktiven Definition führt dann auf folgende zwei Varianten:

Definition

Bearbeiten

Die kleine induktive Dimension

Bearbeiten

Die kleine induktive Dimension   eines topologischen Raums   ist wie folgt definiert:

  •   genau dann, wenn  .
  •  , falls es zu jedem Punkt   und jeder offenen Umgebung   von   eine offene Umgebung   von   gibt mit   und  .

Damit ist erklärt, was   bedeutet. Man definiert weiter:

  •  , falls   und nicht  
  •  , falls für kein   die Ungleichung   gilt.

Die große induktive Dimension

Bearbeiten

Ersetzt man den Punkt   aus der Definition der kleinen induktiven Dimension durch eine beliebige abgeschlossene Menge, so erhält man den Begriff der großen induktiven Dimension. Genauer: Die große induktive Dimension   eines topologischen Raums   ist wie folgt definiert:

  •   genau dann, wenn  .
  •  , falls es zu jeder abgeschlossenen Menge   und jeder offenen Umgebung   von   eine offene Umgebung   von   gibt mit   und  .

Damit ist erklärt, was   bedeutet. Man definiert weiter:

  •  , falls   und nicht  
  •  , falls für kein   die Ungleichung   gilt.

Bemerkungen

Bearbeiten
  • Da in  -Räumen die einpunktigen Teilmengen abgeschlossen sind, folgt für solche Räume sofort  .
  • Ist   ein diskreter Raum, so ist  .
  • Die Aussage   lässt sich wie folgt umformulieren: Jeder Punkt   hat eine Umgebungsbasis aus abgeschlossenen Mengen mit Rändern der kleinen induktiven Dimension  . Insbesondere hat in diesem Fall jeder Punkt eine Umgebungsbasis aus abgeschlossenen Mengen, so dass dieser Begriff erst in regulären Räumen sinnvoll ist.
  • Die Aussage   lässt sich wie folgt umformulieren: Zu je zwei disjunkten, abgeschlossenen Teilmengen   gibt es offene Umgebungen   und   mit  ,   und  . Insbesondere lassen sich in diesem Fall je zwei disjunkte, abgeschlossene Mengen durch offene Mengen trennen, so dass dieser Begriff erst in normalen Räumen sinnvoll ist.
  • Während bei der kleinen induktiven Dimension jedem Punkt des Raumes in naheliegender Weise eine Dimension zugeordnet werden kann, ist dies bei der großen induktiven Dimension nicht möglich, diese bezieht sich auf den Gesamtraum.

Sätze über die induktive Dimension

Bearbeiten

Vergleiche

Bearbeiten

Ist   ein metrischer Raum, so gilt nach einem Satz von M. Katětov

 .

Ein Satz von P. S. Alexandrow besagt für kompakte Hausdorffräume:

 .

Gleichheit hat man für separable metrisierbare Räume:

 .[1]

K. Nagami hat einen normalen Raum   konstruiert, für den  ,   und   gilt.[2]

Kompaktifizierung

Bearbeiten

Es bezeichne   die Stone-Čech-Kompaktifizierung von  . Dann gilt

  • N. Wendenisow: Ist   normal, so gilt  .
  • J. R. Isbell: Ist   normal, so gilt  .
  • Eine analoge Aussage für die kleine induktive Dimension ist falsch.

Teilmengensatz

Bearbeiten

  und   genügen dem Teilmengensatz für total normale Räume, das heißt

  • Ist   total normal und  , so gilt   (bzw.  ).

Summensatz

Bearbeiten

Die große induktive Dimension genügt dem Summensatz für vollständig normale Räume, das heißt

  • C. H. Dowker: Ist   vollständig normal und   eine Folge abgeschlossener Mengen mit  , so gilt  .
  • Für allgemeine normale Räume gilt der Summensatz weder für   noch für  , nicht einmal dann, wenn man sich auf kompakte Hausdorffräume einschränkt.

Produktsatz

Bearbeiten

Man sagt, dass ein Dimensionsbegriff einen Produktsatz erfüllt, wenn die Dimension des Produktraumes zweier Räume gegen die Summe der Dimensionen dieser beiden Räume abgeschätzt werden kann. Beachte  .

  • Sind   und   nicht-leere reguläre Hausdorffräume, so gilt  .
  • Sind   perfekt normal und   metrisierbar und beide nicht-leer, so gilt  .
  • Für die Überdeckungsdimension   gilt eine analoge Aussage, wenn   und   beide metrisierbar sind oder wenn   parakompakt und   kompakt sind.

Literatur

Bearbeiten
  • Keiô Nagami: Dimension Theory (= Pure and Applied Mathematics. Bd. 37). Academic Press, New York NY u. a. 1970, ISBN 0-12-513650-1.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Witold Hurewicz, Henry Wallman: Dimension theory (PMS-4). In: Princeton Mathematical Series. Band 4. Princeton 1948, ISBN 978-1-4008-7566-5, S. 153.
  2. Keiō Nagami: A normal space Z with ind Z=0, dim Z=1, Ind Z=2. (PDF, englisch)