Verwaltungsgerichtshof Darmstadt
Der Verwaltungsgerichtshof Darmstadt (offizielle Bezeichnung: einfach nur „Verwaltungsgerichtshof“[1]) war das Verwaltungsgericht im Großherzogtum Hessen und nach 1918 im Volksstaat Hessen mit Sitz in Darmstadt.
Geschichte
BearbeitenGroßherzogtum
BearbeitenIm Rahmen der Verwaltungsreform von 1874 wurden Kreisausschüsse und Provinzialausschüsse gebildet.[2] Die Kreisausschüsse bestanden aus Kreisrat (Landrat) und sechs vom Kreistag gewählten Mitgliedern. Er war einerseits Verwaltungsorgan, hatte aber auch die Funktion eines Verwaltungsgerichts. Gegen Entscheidungen des Kreisausschusses war Rekurs beim Provinzialausschuss möglich. Dieser bestand aus dem Provinzialdirektor und weiteren vom Provinzialtag gewählten Mitgliedern.
Als Berufungsinstanz wurde der Verwaltungsgerichtshof Darmstadt eingerichtet.[3] Er ersetzte in dieser Funktion den Staatsrat des Großherzogtums Hessen. Das Gericht mit Sitz in Darmstadt war jedoch nicht für alle Verwaltungsangelegenheiten zuständig. In einer Reihe von Fällen traf das Ministerium des Innern die letztinstanzliche Entscheidung. Mit dem Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 8. Juli 1911 wurden die Zuständigkeiten zusammengefasst und erweitert.[4] Nun war das Gericht auch für den wichtigen Bereich der Polizeiangelegenheiten letztinstanzlich zuständig.
Volksstaat
BearbeitenIn der Weimarer Republik regelte Art. 107 der Weimarer Reichsverfassung, dass jedes Land ein Verwaltungsgericht einzurichten habe. Da dies im Volksstaat Hessen bereits bestand, führte der Verwaltungsgerichtshof Darmstadt seine Arbeit fort. Die Gleichschaltung der Justiz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten betraf auch den Verwaltungsgerichtshof Darmstadt. Daneben büßte die Verwaltungsgerichtsbarkeit ihre Funktion ein: Eine gerichtliche Überprüfung des Verwaltungshandelns im totalitären Staat war nicht vorgesehen. Dennoch bestand der Verwaltungsgerichtshof Darmstadt zunächst weiter. 1944 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit generell abgeschafft.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Bearbeiten1946 wurde die Verwaltungsgerichtsbarkeit im neu entstandenen Bundesland Hessen neu geordnet.[5] Der Verwaltungsgerichtshof Darmstadt wurde dabei nicht wieder eingerichtet. Oberstes Verwaltungsgericht in Hessen wurde der Hessische Verwaltungsgerichtshof, in Darmstadt wurde das Verwaltungsgericht Darmstadt als erstinstanzliches Verwaltungsgericht eingerichtet.
Personal
BearbeitenDie Richter des Gerichts rekrutierten sich zum einen aus erfahrenen Richtern aber auch aus erfahrenen Verwaltungsfachleuten.
Präsidenten
Bearbeiten- Wilhelm Maurer (Richter) (1875–1876)
- Maximilian von Preuschen von und zu Liebenstein
- Friedrich Küchler (1891–1898)
- Heinrich Knorr von Rosenroth (1898–1904)
- Ferdinand Emmerling (ab 1904)
- August Karl Weber (1912–1924)
Richter
Bearbeiten- Julius Creizenach (ab 1875)[6]
- Franz Friedrich Königer (ab 1880)
- Otto Pistor (1885–1894)
- Wilhelm Heinzerling (ab 1888)
- Karl Muhl (ab 1888)
- Karl Göttelmann (ab 1911)
- Hermann Freiherr Schenck zu Schweinsberg (1912–?)
- Karl Schliephake (1912–1913)
- Hermann Stammler (1912–1917)
- Hermann Kratz (1922–1930)
- Ludwig Schwamb (1928–1933)
- Otto Hofmann
Literatur
Bearbeiten- Martin Pagenkopf: 150 Jahre Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland. Boorbeg, Stuttgart 2014. ISBN 9783415051522, S. 53–54.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Art. 1 Gesetz, betreffend das oberste Verwaltungsgericht vom 11. Januar 1875. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 3 vom 21. Januar 1875, S. 45–50 (45).
- ↑ Gesetz, betreffend die innere Verwaltung und die Vertretung der Kreise und der Provinzen vom 12. Juni 1874. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 29 vom 16. Juni 1874, S. 251–295.
- ↑ Gesetz, betreffend das oberste Verwaltungsgericht vom 11. Januar 1875. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 3 vom 21. Januar 1875, S. 45–50.
- ↑ Pagenkopf, S. 54.
- ↑ Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 31. Oktober 1946. In: Gesetz- und Verordnungsblatt für Groß-Hessen vom 15. November 1946, S. 194–203.
- ↑ Creizenach, Julius. Hessische Biografie. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).