Benutzer:Scialfa/Gerichtsorganisation des Deutschen Reiches 1933-1945
Die Gerichtsorganisation des Deutschen Kaiserreiches wurde erstmals des im Rahmen der sogenannten Reichsjustizgesetze verabschiedeten Gerichtsverfassungsgesetzes vom 27. Januar 1877 reichsweit vereinheitlicht. Es trat am 1. Oktober 1879 in Kraft. Der darin beschriebene mehrstufige Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Form von Amtsgericht-Landgericht-Oberlandesgericht-Reichsgericht hat funktionell bis heute Bestand. Die bis dahin bestehenden Oberappellationsgerichte der einzelnen Bundesstaaten als höchste Instanz wurden in Oberlandesgerichte umgewandelt, das zwischenzeitlich fehlende Reichsgericht wieder geschaffen. Mit dem Gesetz über den Sitz des Reichsgerichts vom 11. April 1877 wurde dessen Sitz in Leipzig bestimmt. Fachgerichtsbarkeiten gab es zunächst bis auf eine sich entwickelnde Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht. Diese war jedoch nicht reichseinheitlich geregelt und wurde nur von einigen Bundesstaaten mittels eines dafür zuständigen Verwaltungsgerichts behandelt. Einen mehrstufigen Aufbau gab es im Kaiserreich nicht. Infolge der Territorialgliederung einzelner Bundesstaaten mit Exklaven wurden eine Reihe von Staatsverträgen geschlossen, um die Gerichtszuständigkeit zu klären. Außerdem einigten sich mitunter einige kleinere Bundesstaaten auf ein gemeinesames Oberlandesgericht. So beschlossen 7 thüringische Kleinstaaten, ein gemeinsames Oberlandesgericht in Jena zu installieren. Die 3 Freien Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck einigten sich auf ein gemeinsames Oberlandesgericht in Hamburg. Die Gerichtsorganisation hatte bis zur Auflösung des Kaiserreiches 1918 Bestand.
Das Reichsgericht wurde am 1. Oktober 1879 in der Aula der Universität Leipzig im Rahmen einer Veranstaltung feierlich eröffnet. Es war zunächst in der Leipziger Georgenhalle untergebracht. Bei seiner Eröffnung bestand es aus 5 Zivil- und 3 Strafsenaten. [1]
Nach dem Staatsvertrag zwischen dem Herzogtum Anhalt und dem Königreich Preußen betreffend den Anschluß des Anhaltischen Staatsgebiets an den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Naumburg vom 9. Oktober 1878[2] wurde vereinbart, das dem für die preußische Provinz Sachsen zuständigen Oberlandesgericht Naumburg auch der nunmehrige anhaltische Landgerichtsbezirk Dessau, dem alle Amtsgerichte des Herzogtums Anhalt zugeteilt waren, untergeordnet wurde. Der Landgerichtsbezirk umfaßte dabei 11 Amtsgerichte[3].
Als einziger Bundesstaat des Kaiserreiches nahm Bayern das Recht wahr, ein oberstes Landesgericht zu bilden. In den Verhandlungen über die Reichsjustizgesetze hatte Bayern, neben Preußen einziger Gliedstaat mit mehreren Oberlandesgerichten, das Recht erstritten, Revisionen in Zivilsachen einem obersten Landesgericht zuzuweisen, die ansonsten vor das Reichsgericht gehörten. Da Preußen von diesem Recht keinen Gebrauch machte, war das Oberste Landesgericht in Bayern insofern ein einzigartiges Gericht. Es bestand als Bayerisches Oberstes Landesgericht bis 2006 mit Sitz in München. Die rechtlichen Voraussetzungen wurden im § 8 EGGVG geregelt. In den Bayerischen Ausführungsbestimmungen zum Gerichtsverfassungesetz vom 23. Februar 1879 wurden in den Artikeln 42 bis 49 die rechtlichen Grundlagen erläutert. Unterhalb des obersten Landesgerichtes bestanden 5 Oberlandesgerichte mit 28 Landgerichtsbezirken. Dabei wurde der Landesteil Pfalz vom OLG-Bezirk Zweibrücken präsentiert.
Das Herzogtum leistete sich trotz der Zahl von nur ca. 330.000 Gerichtseingessenen ein eigenes Oberlandesgericht. Diesem unterstanden zwei Landgerichte mit 24 Amtsgerichten. Anders als in anderen Bundesstaaten unterstanden auch die Exklaven der eigenen Gerichtsbarkeit. So bekamen die Ämter Calvörde und Thedinghausen eigene Amtsgerichte. Für die zwei gößeren Landesteile um Holzminden und Braunschweig wurde zunächst je ein Landsgericht eingerichtet.
Freie Hansestädte Bremen , Hamburg und Lübeck
BearbeitenStadt | Oberlandesgerichte | Landgerichte | Amtsgerichte |
---|---|---|---|
Bremen | Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg | Landgericht Bremen | Amtsgericht Bremen | Amtsgericht Bremerhaven |
Hamburg | Landgericht Hamburg | Amtsgericht Bergedorf | Amtsgericht Hamburg | Amtsgericht Ritzebüttel | |
Lübeck | Landgericht Lübeck (auch für das oldenburgische Fürstentum Lübeck zuständig) | lübeckisches Amtsgericht Lübeck | |
oldenburgische Amtsgerichte Amtsgericht Ahrensböck | Amtsgericht Eutin | Amtsgericht Schwartau |
Nach dem Deutsch-Franzöischen Krieg wurde Elsaß-Lothringen wieder an das Kaiserreich angegliedert. Nach einigen anderen Überlegungen wurde es nicht zu einem deutschen Bundesstaat erklärt sondern kam unter die direkte Verwaltung des Reichs. Auch für dieses Gebiet galt ab 1879 das GVG mit der darin beschriebenen Gerichtsorganisation. So wurde zunächst 1871 der Cour d’appel de Colmar in das Oberappellationsgericht Colmar umgewandelt, um dann ab 1879 in Oberlandesgericht Colmar umbenannt zu werden. Dieses stellte das einzige OLG im Reichsland da. Ihm waren 6 Landgerichte mit 72 Amtsgerichten unterstellt. Dabei hatten mit 67 Amtgerichten ca 93% aller Gerichte nur einen Amtsrichter. Im OLG-Bezirk lebten um 1880 ca. 1,5 Millionen Gerichtseingessene.[4]
Das Oberappellationsgericht Darmstadt wurde 1879 in ein OLG umbenannt. Ihm unterstanden 3 Landgerichte mit 49 Amtsgerichten. Um 1880 lebten im OLG-Bezirk ca. 880.000 Gerichtseingessene.[5]
Nach einem Staatsvertrage mit dem Königreich Preußen vom 4. Januar 1879 fungierte das für die preußische Provinz Hannover zuständige Oberlandesgericht Celle auch als zuständiges Oberlandesgericht für das Fürstentum Lippe. Die Amtsgerichte des Fürstentums wurden im Landgerichtsbezirk Detmold zusammengefaßt.
Mecklenburgische Großherzogtümer
BearbeitenFür das oldenburgische Fürstentum Lübeck (Amtsgerichte: Ahrensböck, Eutin, Schwartau) fungieren das Landgericht zu Lübeck und das Oberlandesgericht zu Hamburg; s. unten.
Die 2 Amtsgerichte des Fürstentums Birkenfeld (Birkenfeld, Oberstein) zum Oberlandesgericht Köln (Landgericht Saarbrücken).
(mit Ausnahme des Kreises Deutsch Krone)
Oberste Instanz für die Reichshauptstadt und die Provinz Brandenburg war das Kammergericht Berlin. Ihm unterstanden 9 Landgerichten mit 101 Amtsgerichten. Dabei gab es allein für den Raum Berlin 2 Landgerichte. Das Landgericht Berlin I umfaßte dabei die damalige Stadt Berlin mit ca. 1 Million Gerichtseingesessenen. Das Landgericht Berlin II umfaßte die damals noch eigenständige Stadt Charlottenburg und Gemeinden um Berlin herum. Insgesamt wohnten um 1880 über 3 Millionen Gerichtseingessene im Kammergerichtsbezirk.
(und der westpreußische Kreis Deutsch Krone)
Für Schlesien war in seiner Gänze das Oberlandesgericht Breslau zuständig. Ihm waren 14 Landgerichtsbezirke mit insgesamt 127 Amtsgerichten unterstellt. Im OLG-Bezirk lebten um 1880 ca. 3,8 Millionen Gerichtseingessene. [6]
(mit Ausnahme der dem Oberlandesgericht Jena zugeteilten Kreise Schleusingen und Ziegenrück), den hannöverschen Kreis Ilfeld, das Herzogtum Anhalt und Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen
Für die Gerichtsbarkeit des früheren Königreich Hannover zeichnete sich das frühere Oberappellationsgericht in Celle verantwortlich. Nicht davon betroffen waren die Amtsgerichte des Kreises Ilfeld, die dem OLG Naumburg der preußischen Provinz Sachsen unterstanden. Andererseits unterstanden dem OLG Celle auch einige Gerichte außerhalb des hannöverschen Territoriums. Das betraf zum einen den hessischen Kreis Rinteln, zum anderen die Gerichte des Fürstentums Lippe-Detmold und den Landesteil Pyrmont des Fürstentums Waldeck-Pyrmont Bereits am 1. Juli 1857 hatte das Fürstentum Lippe in einem Staatsvertrag mit Preußen die Zuständigkeit des damaligen Oberappellationsgerichtes Celle für die lippesche Justiz beschlossen. Dieser Vertrag wurde am 4. Januar 1879 erneuert. Ausgenommen vom Vertrag wurden das Amt Lipperode und das Stift Cappel. Diese Gebiete fielen in die Zuständigkeit des Amtsgerichtes Lippstadt in der Provinz Westfalen.[7]Die Amtsgerichte des Fürstentums wurden im Landgerichtsbezirk Detmold zusammengefaßt. Die Zuständigkeit für den Landesteil Pyrmont war bereits im Staatsvertrag zwischen dem Fürstentum Waldeck-Pyrmont und Preußen vom 18. Juli 1867 geregelt worden. Dieser Vertrag wurde am 24. November 1877 um weitere zehn Jahre verlängert.[8] Dem OLG Celle unterstanden 9 Landgerichte mit 117 Amtsgerichten. Um 1880 lebten im Bereich des OLG ca. 2,16 Millionen Gerichtseingessene.
und die rheinländischen Kreise Duisburg, Essen (Stadt und Land), Mülheim a.R. und Rees, vom Fürstentum Lippe Amt Lipperode und Stift Kappel
Die Gerichtsbarkeit der Rheinprovinz war fast gänzlich dem Oberlandesgericht Köln unterstellt. Die Kreise Neuwied und Wetzlar sowie die linksrheinischen Gebiete der Kreise Koblenz und Altenkirchen waren dem OLG Frankfurt am Main zugeordnet. Weiterhin lagen die Kreise Duisburg, Essen, Mühlheim am Rhein und Rees im Bereich des OLG Hamm. Zusätzlich zu den Amtsgerichten der Rheinprovinz war das OLG Köln auch für das oldenburgische Fürstentum Birkenfeld zuständig. Dies wurde im Staatsvertrag vom 20. August zwischen dem Großherzogtum Oldenburg und dem Königreich Preußen vereinbart. Die drei Amtsgerichte des Birkenfelder Landesteiles wurden danach in den Landgerichtsbezirk Saarbrücken eingegliedert.[9] Der OLG-Bezirk Köln umfaßte 9 Landgerichte mit 111 Amtsgerichten. Um 1880 lebten ca. 3,27 Millionen Gerichtseingessene im OLG-Bezirk.[10]
Das Oberlandesgericht Cassel zeichnete sich für fast den gesamten Regierungsbezirk Cassel verantwortlich. Die Gerichtsbarkeit des Landkreises Rinteln unterstand dem hannöverschen OLG Celle. Die Amtsgerichte im Kreis Schmalkalden unterstanden dem thüringischen OLG Jena. Dies war im Staatsvertrag zwischen Preußen und den Thüringischen Staaten vom 23. April 1878 geregelt worden. [11] Im Gegenzug war das OLG Cassel für die Gerichtsbarkeit des im Regierungsbezirk Wiesbaden liegenden Kreis Biedenkopf und des Fürstentums Waldeck zuständig. Zwischen dem Fürstentum Waldeck und Preußen war diese Zuständigkeit schon mit einem Vertrag vom 18. Juli 1867 geregelt worden. Am 24. November 1877 verlängerte man diesen Vertrag um weitere zehn Jahre. [12] Im Bereich des OLG gab es 3 Landgerichtsbezirke mit 76 Amtsgerichten. Bemerkenswert dabei ist die hohe Zahl von 60 Amtsgerichten, die nur einen Amtsrichter hatten. Um 1880 lebten im OLG-Bezirk ca. 790.000 Gerichtseingessene.[13]
(mit Ausnahme des zu Kassel geschlagenen Kreises Biedenkopf), einige Orte des Regbez. Kassel bei Frankfurt a.M., Regbez. Sigmaringen und den rechtsrheinischen Teil des Regbez. Koblenz
Im Fürstentum Schaumburg-Lippe bestand das Landgericht Bückeburg, dem die Amtsgerichte Bückeburg und Stadthagen zugeordnet waren. Als übergeordnete Instanz fungierte das Oberlandesgericht Oldenburg .
Thüringische Staaten
BearbeitenOberlandesgerichte | Landgerichte | Amtsgerichte |
---|---|---|
Oberlandesgericht Kassel für die Kreise des Landesteiles Waldeck |
Landgericht Kassel | Amtsgericht Arolsen | Amtsgericht Korbach | Amtsgericht Niederwildungen |
Oberlandesgericht Celle für den Landesteil Pyrmont |
Landgericht Hannover | Amtsgericht Pyrmont |
Anmerkungen
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 365 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 276 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 450 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 415 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 418 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 399 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 281 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 364
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 265 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 411 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 291 ff
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 364
- ↑ Carl Pfafferoth, Jahrbuch der Deutschen Gerichtsverfassung, Berlin 1880, S. 404 ff